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Kindersache?
Bis vor einigen Jahren waren die meisten ExpertInnen der Meinung, ADHS und ADS seien reine "Kinderkrankheiten" (> Kapitel Kinder) und wachsen sich mit den Jahren aus.
Heute weiß man, dass das in sehr vielen Fällen nicht stimmt. ADHS bzw. ADS ist unter Erwachsenen immernoch relativ häufig anzutreffen und wird tragischerweise oft jahrelang nicht erkannt. Die
Symptome verändern sich allerdings, die spezielle Art zu funktionieren äußert sich anders als im Kindesalter (siehe auch > Symptomwandel).
Meistens wahrscheinlich unerkannt
Manche Betroffene werden wegen vermeintlicher Depression, bipolarer Störung, einer Suchterkrankung, sozialer Auffälligkeit o.ä. behandelt, obwohl den Schwierigkeiten eine ADHS/ADS-Symptomatik
zugrunde liegt und dort angesetzt werden müsste.
Die meisten erwachsenen Betroffenen leben aber im Großen und Ganzen unauffällig, tun sich bei vielen Dingen schwerer als andere, machen sich selbst deshalb immer wieder Vorwürfe, haben Probleme im Alltag und verstehen nicht, warum.
Bei vielen dieser Erwachsenen wurde in der Kindheit KEIN ADHS/ADS diagnostiziert, obwohl die Symptomatik teils mehr, teils weniger auffallend vorhanden gewesen wäre. Viele werden hellhörig, wenn
bei ihrem Kind Auffälligkeiten festgestellt werden (Vererbung als Risikofaktor) und ihnen gewisse Probleme irgendwie bekannt vorkommen.
Typische Problembereiche im Alltag betreffen z.B. Beruf/Studium, Partnerschaft, Haushaltsführung, Kindererziehung:
- Konzentration, ganz bei der Sache bleiben (ausgenommen „fesselnde“ Inhalte)
- Realistisches Planen / Organisieren
- Planung einhalten
- Begonnenes fertig machen
- Ordnung halten
- Probleme mit Pünktlichkeit / Zeitgefühl
- Vergesslichkeit, z.B. Termine versäumen, Schlüssel verlegen usw. (Aber oft
gutes Langzeitgedächtnis für gefühlsbesetzte Inhalte)
- Überblick bewahren, z.B. über Finanzen
- Anderen ins Wort fallen
- Intensive Stimmungswechsel
- Ungeduld
- Ablenkbarkeit
- Impulsives, spontanes Handeln
- Entscheidungsschwäche
- z.T. innere Unruhe, Anspannung
- Sich für langweilige Aufgaben motivieren, Eintönigkeit und Routine aushalten
Last UND tolle Sache?
An dieser Stelle sollen aber auch ein paar der häufigsten Stärken von ADS/ADHS-Betroffenen angeführt werden:
- Phantasie, Kreativität, geniale Ideen
- Begeisterungsfähigkeit
- Fähigkeit zu intensiven Gefühlen
- Loyalität
- Einfühlsamkeit
- Soziale Einstellung
- Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
- Aufgeschlossenheit / Extraversion
- Dynamik und Energie
Namen, die in Zusammenhang mit AD(H)S immer wieder genannt werden, sind z.B. Thomas Edison, Albert Einstein, Mozart, Beethoven, Edgar Allen Poe, Goethe oder auch Bill Gates.
Dementsprechend geht es in der psychologischen Arbeit nicht darum, eine „Krankheit“ zu behandeln, sondern darum, diejenigen Seiten in den Griff zu kriegen, die Ihr Leben in unserer Gesellschaft erschweren. Auch wenn Sie z.B. mittels Neurofeedback lernen, Ihre Gehirntätigkeit zu beeinflussen, besteht das Ziel NICHT darin, Ihre Persönlichkeit zu verändern, sondern Sie sollen die Freiheit gewinnen, Konzentration, Durchhaltevermögen usw. „einschalten“ zu können, wenn Sie es wollen und brauchen. Ihre ganz besondere Art zu funktionieren soll Ihnen nicht zu sehr im Wege stehen, wenn Sie Ihren Alltag zu bewältigen haben.
Diagnostik
Die AD(H)S-Symptomatik kann sehr leicht mit anderen Diagnosen verwechselt werden, was leider auch bei Fachleuten immer wieder vorkommt - Vor allem dann, wenn sie sich nicht auf AD(H)S bei Erwachsenen spezialisiert haben.
Eine falsch gestellte Diagnose zieht aber eine falsche Behandlung nach sich, was unnötig Zeit und Geld kostet und sehr entmutigend sein kann.
Sofern bei Ihnen nicht schon in einer anderen Praxis AD(H)S festgestellt wurde, wird eine sorgfältige diagnostische Abklärung angeboten:
> Gespräch/Exploration
> Standardisiertes diagnostisches Interview
> EEG-Frequenzband-Analyse (Wie "tickt" mein Gehirn?)
> Computertests (Aufmerksamkeit, angrenzende klin. Störungsbilder)
> Fragebögen
Es werden meist 2 x 2 Einheiten für den diagnostischen Prozess benötigt, danach findet eine Abschlussbesprechung statt.
Möglichkeiten zur Behandlung
Die Form der psychologischen Behandlung hängt davon ab, welcher Problembereich im Vordergrund steht (Coaching und "konkrete "Tipps" für den Alltag sind immer dabei). Neben Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität, Impulsivität, Desorganisation u.ä. leiden sehr viele Betroffene an psychischen Schwierigkeiten wie Depression, Ängsten, starken Gefühlsschwankungen. oder mangelndem Selbstwertgefühl.
> Neurofeedback (Training von mindestens 15-20 Einheiten nötig)
inkl. Coaching und Transfer-Orientierung
> Medikamente (vom Facharzt/-ärztin für Neurologie/Psychiatrie zu verschreiben,
wirkt nicht heilend, lindert aber meist für einige Zeit die Symptome)
> Schematherapie / Klinisch-psychologische Behandlung:
ADHS-Betroffene haben oft eine besonders belastende Entwicklungszeit als "missverstandene Kinder" hinter sich, oft auch "erzogen" von ebenfalls betroffenen, völlig überforderten Erwachsenen. Irgendwann verinnerlichen die meisten das, was ihnen vermittelt wurde: Nicht "richtig" zu sein, nicht dazu zu passen, anstrengend/lästig zu sein, sich nicht auf die eigenen Wahrnehmungen, Bedürfnisse, Reaktionen verlassen zu können uvm.
Das heißt, es ist nötig, eine psychologische Therapie anzubieten, die genau diese Entwicklung und v.a. ihre Konsequenzen in den Mittelpunkt stellt. Für PsychologInnen ist es wichtig, sich bei der Art der Behandlung dieser Schwierigkeiten, die ja auch viele nicht-betroffene Menschen kennen, auf die besondere "Art zu funktionieren" ADHS-Betroffener einzustellen.
Literatur:
Diese - und viele weitere - Bücher können auf Anfrage in der Praxis Petersbergenstraße angesehen werden (kleine Auswahl, Stand 2012):